Spiritueller Zufluchtsort | ||||||||||
Lange verehrt als verlorene Stadt der Inkas und als einer der heiligsten Plätze der Welt, war Machu Picchu vielleicht nicht mehr als ein königliches Feriendomizil. Es gab keinen Zweifel bei Hiram Bingham, dass er im Sommer 1911 auf etwas Geheimnisvolles gestoßen war, als er die überwältigende Inka-Siedlung entdeckte, die jetzt als Machu Picchu bekannt ist. Er war überzeugt, dass der abgelegene peruanische Außenposten, übersät mit Tempeln, eine heilige Stadt, der Geburtsort und die letzte Festung der Inkas war, wo Jungfrauen ein Refugium suchten und Priester den Sonnegott anbeteten. Der charismatische Bingham -- ein Archäologe der Yale Universität, später Gouverneur von Connecticut und U.S. Senator und viel später ein Vorbild für Hollywood's Indiana Jones -- verkündete in einer Reihe von Zeitschriften-Artikeln und Best-Seller-Büchern, was er gefunden hatte, und die Welt nahm es begierig auf. Touristen und Heilssucher haben Machu Picchu seitdem zum Wallfahrtsort gemacht. Aber was genau besuchen sie? Mehr als 90 Jahre, nachdem Machu Picchu zum ersten Mal auf der wissenschaftlichen Landkarte aufgetaucht ist, stellen moderne Archäologen die überzeugende Behauptung auf, dass es gar kein spirituelles Zentrum war. Machu Picchu, stellt sich heraus, ist vielleicht nicht viel mehr gewesen als ein gebirgiges Refugium für den Herrscher Pachacuti und seinen königlichen Hofstaat, eine Art Camp David des 15. Jahrhunderts. "Es war ein ländlicher Palast, wohin sie sich aus der Hauptstadt Cuzco zurückziehen konnten," sagt der Yale-Archäologe Richard Burger. "Es war nur einen dreitägigen Fußmarsch weit weg." Im Rückblick kann Bingham entschuldigt werden für die Feststellung, dass Machu Picchu der heiligste aller Orte der Inkas war. Dessen Unzugänglichkeit lässt die Vermutung zweifellos zu. So haben einige seiner anscheinend religiösen Strukturen, die im besonderen Dreifenster-Design errichtet wurden, an die Legende angeknüpft, dass das Volk der Inkas von drei Brüdern geschaffen wurde, die durch ein dreifaches Portal erschienen waren. Und der große Prozentsatz der freilegten Skelette, die Bingham's Experte als weiblich feststellte, ließ die Vermutung zu, dass es sich um ein Kloster der Inkas handelte. Aber die Vorstellung, dass viel davon Phantasie ist, klingt auch recht überzeugend. Es gibt keine Aufzeichnungen der Inkas -- die Inkas hatte keine schriftliche Sprache -- aber die Spanier, die so viel von Südamerika eroberten, haben einiges festgehalten. Vor fünfzehn Jahren studierte John Howland Rowe, ein Anthropologe an der Universität von Kalifornien, Berkeley, die von den Spaniern bei Cuzco zurückgelassen Archive und stieß auf einen Prozeß im 16. Jahrhundert, der von den Nachkommen von Pachacuti zur Rückgabe von Ländereien der königlichen Familie, einschließlich eines Picchu genannten Refugiums, geführt wurde. Über die Jahren sind andere Forscher noch tiefer in das Geheimnis eingedrungen, keiner davon tiefer als Burger, ein ehemaliger Student von Rowe, und seine Frau Lucy Salazar, eine Yale-Archäologin. Burger und Salazar nahmen frische Auswertungen der Werkzeuge und der Wohnungen vor und stellten fest, dass Machu Picchu stark von Handwerkern bevölkert wurde, vermutlich dorthin geholt von der königlichen Familie wegen ihrer materiellen Bedürfnisse. Gesichtsstudien der geborgenen Schädel deckten ein gesunde Mischung von ethnischen Gruppen auf und weisen auf eine multikulturelle Zusammensetzung der Bediensteten im Gegensatz zu einer einheitlichen Priester-Klasse hin. Die Analyse der Skelette, die von dem Anthropologen John Verano der Universität von Tulane, einem der Mitarbeiter von Burger und Salazar geleitet wurde, zeigt, dass das Verhältnis der Frauen zu den Männern gleichmäßig 3 zu 2 war und dass Familien und sogar Kinder am Ort lebten und arbeiteten, was vermuten lässt, dass mindestens einige der angenommenen Jungfrauen Kinder zur Welt gebracht haben. Schließlich verrät Salazar's sorgfältige Analyse der geborgenen Tonwaren, deren Stil sich über die Generationen änderte, dass Machu Picchu nicht ehrfurchtsvoll für Jahrhunderte beibehalten wurde, wie Bingham glaubte, sondern nach gerade einmal 80 Jahren verlassen wurde, als politische Umwälzungen es schwierig machten, das teure Rückzugsgebiet beizubehalten. Und was ist mit alle jenen Tempeln, die Bingham entdeckte? "Der Herrscher galt als von der Sonne abgestiegen, also hätte es eine religiöse Komponente geben müssen," sagt Burger mit einem Achselzucken. "Aber die Inkas wendeten vermutlich genau so viel Zeit für die Jagd oder das Trinken von Maisbier auf der Plaza auf." 24. Februar 2003 WEITER (Inka Knoten) |
Die "verlorene Stadt" Machu Picchu stellt ein Rätsel für Archäologen dar. Teil des Grundes ist die nicht vorhandene schriftliche Inka Sprache, was sich ändern könnte, wenn gezeigt werden sollte, dass die Inka Knoten mehr als Zählwerkzeuge sind. |
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