In Sachsen-Anhalt wurde das älteste Sonnenobservatorium Europas entdeckt | ||||||||||
Verschlafen liegt das kleine Örtchen Goseck im
sachsen-anhaltischen Landkreis Weißenfels da, auch hier treibt die
Hitze die Menschen in den Schatten. Nichts deutet darauf hin, dass hier
eine der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen aller Zeiten
gemacht wurde - doch genau so ist es: Als Meilenstein in der
archäologischen Forschung haben Experten das älteste
Sonnenobservatorium Europas bezeichnet. Die Anlage gebe erstmals
Einblicke in die geistige und religiöse Welt der ersten Bauern Europas,
sagte Landesarchäologe Harald Meller am Donnerstag (7.8.2003) bei der
Vorstellung des Fundorts. Auf rund 7000 Jahre schätzt Francois Bertemes
von der Universität Halle-Wittenberg das Alter der Anlage. "Sie ist
eines der ersten 'Heiligtümer', die in Mitteleuropa entdeckt wurden",
beschreibt er die Bedeutung des Fundes. Dass die Archäologen das Entstehungsdatum der Gosecker Anlage so genau festlegen konnten, verdanken sie Fundstücken auf dem Gelände. So entdeckten sie Material aus der frühen stichbandkeramischen Kultur, die mit großer Sicherheit in die Zeit zwischen 5000 und 4800 vor Christus eingeordnet werden kann. Damit steht für sie auch fest, dass Goseck das älteste zweifelsfrei nachgewiesene Sonnenobservatorium Europas ist. So steht die Anlage am Anfang einer Reihe vergleichbarer gewaltiger Erdwerke der europäischen Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit. Kalender und Sakralbau Doch nicht nur ihr Alter macht die Anlage einzigartig: Während die etwa 180 Kreisgrabenanlagen, die man in Mitteleuropa kennt, zumeist vier Tore hatten, weist die Gosecker Anlage drei Tore auf. Dass dies kein Zufall ist, konnte Wolfhard Schlosser von der Ruhr-Universität Bochum nachweisen. Der Astronomie-Experte zeigte auf, dass die südlichen Tore exakt den Sonnenauf- und -untergang zur Wintersonnenwende markieren. Er unterstreicht aber: "Es handelt sich hierbei nicht um ein Kalenderbauwerk, sondern es ist eindeutig ein Sakralbau." Dennoch hatten die Anlagen auch einen wissenschaftlichen Zweck: Die Beobachtung astronomischer Phänomene. In Goseck errichteten frühe bäuerliche Gemeinschaften bereits 3000 Jahre vor der letzten Ausbaustufe des englischen Stonehenge diese monumentale Anlage. Für die Forscher hat der Fund daneben aus einem weiteren Grund besondere Bedeutung: "Der Aufbau der Anlage, ihre Ausrichtung und die Markierung der Wintersonnenwende lässt sich auf der inzwischen weltberühmten 'Himmelsscheibe von Nebra' wiederfinden - allerdings entstand die etwa 2400 Jahre später", so Schlosser. Die nur 25 Kilometer entfernt gefundene Bronzescheibe gilt als die erste exakte Darstellung von Himmelskörpern. Für Schlosser ist dies ein Beweis für die Kontinuität, mit der die frühen Menschen die Gestirne beobachteten. Entdeckung durch Erdverfärbungen Bereits 1992 hatten Archäologen auf Luftbildern Hinweise auf das Observatorium entdeckt. Wo sich früher die Kreiswallanlage befand, sind heute nur Erdverfärbungen. Die ersten Ausgrabungsarbeiten begannen im vergangenen Jahr. Schon jetzt wissen die Forscher auf Grund einer Rekonstruktion, wie die Anlage in Goseck vor 7.000 Jahren aussah: Sie hatte einen Kreisgraben von rund 75 Metern Durchmesser, der im Inneren mit zwei übermannshohen Palisaden gleichsam noch einmal nachgezogen wurde. Am äußeren Ring befanden sich drei aufwändig gestaltete Tore, während die Durchgänge in den hölzernen Palisaden immer enger wurden." Einblicke in die geistig-religiöse Vorzeit In der Anlage könnten demnach religiöse Zeremonien stattgefunden haben. Knochenfunde inmitten der Anlage ließen darauf schließen, dass an der Stelle ein Mensch geopfert wurde. Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass bereits für die ersten agrarisch geprägten Gesellschaften Europas die Festlegung markanter Fixpunkte der Jahreszyklen von größter Bedeutung war. Astronomisches Wissen war von Anfang an mit mythologisch-kosmologischen Vorstellungen verknüpft. Für den Landrat des Landkreises Weißenfels, Rüdiger Erben, haben sich aus der Entdeckung der Gosecker Anlage eher unwissenschaftliche Möglichkeiten ergeben. Er könnte sich vorstellen, dass die Anlage zu einem "Mekka für Hobbyarchäologen und -astronomen" werden könnte. Auch Bertemes denkt über den Tag hinaus: Bis 2007 sollen die Ausgrabungsarbeiten abgeschlossen sein, danach könnte er sich eine vollständige Rekonstruktion einschließlich der Palisaden gut vorstellen. 8. August 2003 WEITER (MENSCHEN) |
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