Die Geschichte des frühen Menschen in Nordamerika ist im Lichte neuerer Entdeckungen in die Kritik geraten. Die meisten Leute stimmen darin überein, dass der spanische Forschungsreisende Christopher Columbus nicht der erste war, der Amerika entdeckt hat. Neuere Entdeckungen und erneute Überprüfung von älteren Entdeckungen lassen sogar mehrfache Einwanderungswellen nach Amerika während der Pleistozän Periode oder davor möglich erscheinen (Pleistozän [Eiszeitalter], der Zeitabschnitt vor 1,8 Millionen bis vor 11.000 Jahren). Untersuchungen der alten skelettierten Überreste geben Hinweise darauf, dass Wanderungen sowohl von Asien als auch von Europa her vor der letzten Eiszeit stattgefunden haben können. Dieser Artikel beschreibt kurz einige dieser Entdeckungen.
Arlington Springs Frau
10.000-13.000 Jahre alt,
DNA Test in Arbeit.
Ort: California
Entdeckt in 1959 auf Santa Rosa Island, Arlington Springs
Die Frau wird geschätzt auf ein Alter von etwa 10.000-13.000 Jahren. Die Insel Santa Rosa ist eine von acht Kanalinseln vor der Küste Süd-Kaliforniens und besser bekannt für eine Vielzahl von Zwerg-Mammuts, die einmal dort lebten. Die Überreste der Arlington Springs Frau sind vor kurzem durch die neueste Radiokarbon Datierungstechnik noch einmal analysiert worden. Die Radiokarbon-Datierung wird durchgeführt, indem man die Menge von C-14 misst (eine atomar instabile Form des Kohlenstoffs), die in einer Probe enthalten ist. Das Resultat der Prüfung zeigte ein ungefähres Alter, das höher ist als das von allen anderen bekannten menschlichen Überresten, die in Nordamerika gefunden wurden. Sie lebte am Ende des Pleistozän, einer Zeit, als der Meeresspiegel mindestens 30 Meter niedriger als heute war. Durch den niedrigeren Meeresspiegel wurden die Nördlichen Kanalinseln zu einer Insel verbunden. Die Anwesenheit dieser Frau auf einer Insel zu diesem frühen Zeitpunkt ist bemerkenswert, weil damit gezeigt wird, dass die frühesten Paläoindianer (Paläoindianische Periode vor 13.000 bis 7.900 Jahren) Wasserfahrzeuge hatten, die für eine Überquerung des Santa Barbara Kanals notwendig sind.
Browns Valley Mann
8.900 Jahre alt (Europäische Merkmale),
an Indianer zurückgegeben (repatriated).
Ort: Minnesota
Der Browns Valley Mann wurde am 9. Oktober 1933 in einer Kiesgrube auf der Hochebene des Browns Valley entdeckt. Eine Untersuchung des Fundortes ergab für das Grab ein Alter zwischen 8.000 und 12.000 Jahren. Die Überprüfung zeigte, dass das Browns Valley Skelett eines von den ältesten ist, die jemals in den Vereinigten Staaten gefunden wurden. Auf der Basis eines Vergleichs ähneln seine Eigenschaften denen eines Grönland-Eskimos. Sein Kiefer war viel breiter als der des Hügelbauers und übertrifft in der Breite sogar den des Heidelberg Menschen (Homo Erectus). Zusammen mit dem Browns Valley Mann wurden Artefakte gefunden aus einer Übergangsphase zwischen den Yuma und den Folsom Arten. Der Browns Valley Mann wurde einige Jahre später gefunden als die berühmte Minnesota Frau [Pelican Rapids], die nachfolgend aufgeführt ist.
Buhl Frau
10.800 Jahre alt,
kein DNA Test,
an Indianer zurückgegeben (repatriated).
Ort: Idaho
Dieses 11.000 Jahre alte Skelett einer Frau wurde 1989 in einem Steinbruch nahe der Stadt Buhl gefunden und hat wertvolle Informationen über Skelett-Morphologie und Ernährung der Paläoindianer geliefert. Die Buhl Frau war eine von den am besten erhaltenen und am gründlichsten untersuchten der bekannten frühen Amerikaner. Ihre Knochen wurden vermessen und fotografiert, es wurden Zahnabdrücke gemacht, eine Radiokarbon-Datierung vorgenommen, eine isotopische Analyse durchgeführt und die Funde im geologischen Kontext aufgezeichnet; die Resultate erschienen in der Herbst Ausgabe [der Zeitschrift] American Antiquity. Die Untersuchungen zeigten, dass sie zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 17 und 21 Jahren alt war. Obwohl keine DNA-Analyse erfolgte, zeigte die Schädelmorphologie eine Ähnlichkeit mit der von amerikanischen Indianern und von ostasiatischen Bevölkerungen. Eine Analyse der unterschiedlichen Karbon- und Stickstoffisotop-Anteile im Knochenkollagen (Knochenkollagen wird erzeugt, indem man den Kalziuminhalt mittels Säure entfernt und den Knochen auf Proteingelatine reduziert) ergab, dass sie überwiegend Fleisch und etwas Fisch aß. Abnutzungsmuster auf ihren Zähnen weisen darauf hin, dass ihre Nahrung wahrscheinlich gekocht wurde, bevor sie gegessen wurde. Die Buhl Frau war gesund und ihre Todesursache konnte nicht festgestellt werden. Jedoch zeigten Beschädigungen des Zahnschmelzes und die Knochenentwicklung einen periodischen Ernährungsstress an (vielleicht wegen jahreszeitlicher Schwankungen). Ein Faustkeil aus Obsidian und eine Knochennadel mit einer Öse, die keine Zeichen von Abnutzung aufweist, lassen vermuten, dass sie speziell als Grabbeigaben hergestellt worden sein könnten. Es scheint, dass der Faustkeil absichtlich direkt unter dem Schädel platziert wurde und damit vermutlich eine zweckgerichtete Beerdigung stattfand.
Horn Shelter
9.600 Jahre alt,
DNA Test in Arbeit,
an Indianer zurückgegeben (repatriated).
Ort: Texas
1970 wurde ein paläoindianisches Doppelgrab eines Erwachsenen und eines Kindes bei Horn Shelter, Nr. 2, in Zentral-Texas entdeckt. Der archäologische Fundort befindet sich am westlichen Ufer des Brazos River zwischen Waco und dem Whitney See. Zwei Individuen, ein männlicher Erwachsener und ein Jugendlicher, wurden zusammen in einem flachen Grab beerdigt und mit Erde und Steinplatten bedeckt. Unter dem Kopf des Erwachsenen lag eine Vielzahl von Grabbeigaben. Darunter befanden sich Seemuschelperlen, Schildkröten-Rückenpanzer, Feuerstein-Werkzeuge, roter Ocker, kleine Platten von Sandstein, Feuerstein und durchbohrte Hunde-Zähne. Bei dem Jugendlichen wurde eine klein-ösige Knochennadel gefunden. Andere Knochenfunde in und an Feuerstellen, die auf dem Siedlungsplatz gefunden wurden, zeigen eine starke Abhängigkeit von kleinerem Wild an, obwohl auch Bisonknochen in Ablagerungen vor dem Siedlungsplatz gefunden worden sind. Beide Skelette waren ziemlich komplett, aber hatten Beschädigungen nach dem Tod erlitten. Zum Zeitpunkt seines Todes war der männliche Erwachsene wahrscheinlich Mitte 30 bis Anfang 40. Der männliche Jugendliche war wahrscheinlich etwa 12 Jahre alt. Die einzige traumatische Verletzung bei einem von beiden, dem männlichen Erwachsenen, war ein geheilter Bruch des Mittelfuß-Knochens.
Hourglass Cave Mann
7.900-7.700 Jahre alt,
DNA Test abgeschlossen,
an Indianer zurückgegeben (repatriated).
Ort: Colorado
Der Hourglas Cave Mann gehört zwar nicht zu den frühesten menschlichen Skeletten in Nordamerika, ist aber eins von sehr wenigen aus der frühen Holozän-Periode (das Zeitalter des Menschen, die letzten 11.000 Jahre). Anthropologen haben diese als die jüngste Periode für Paläoindianer/Amerikaner definiert. Sowohl die Kern- als auch die motrochondrische DNA wurden aus seinen Knochen gewonnen. Forscher glauben, dass das kalte und gleichbleibende Klima der Höhle die Konservierung seiner Überreste verbesserte. DNA-Analysen brachten keine Überraschungen für die Forscher. Sie bestätigten das Geschlecht, indem sie Becken-Knochen überprüften, und Eigenschaften seiner DNA ergaben eine Verbindung des Hourglas Cave Mannes mit lebenden uramerikanischen Bevölkerungen, allerdings mit keinem spezifischen Stamm.
Gordon Creek Frau
9.700 Jahre alt (Europäische Merkmale),
kein DNA Test.
Ort: Colorado
Die Gordon Creek Frau, die 1965 entdeckt wurde, hatte ein verhältnismäßig kleines Gesicht mit einer ausgeprägten Alveolar-Prognathie, ein Merkmal, das in den heutigen europäischen und afrikanischen Bevölkerungen weiter verbreitet ist als bei Asiaten. Es gibt zwei Arten von Prognathie: Alveolar-Prognathie, die auf die Zahnregion begrenzt ist, und Gesichts-Prognathie, die einen viel größeren Bereich des Gesichtes beeinflusst, indem sie ein Hervorspringen verursacht und damit den Gesichtsbereich vergrößert. An diesem Fundort wurden mit Hämatit bedeckte Knochen und die dazugehörigen Werkzeuge gefunden. Hämatit hat eine blutrote Farbe (in der pulverisierten Form) und eignet sich gut zum Gebrauch als Pigment. Hämatit hat seinen Namen von der griechischen Bedeutung des Wortes Hämos: Blut-artig. Bis jetzt ist noch keine DNA-Analyse durchgeführt worden. Nur wenige zusätzliche Informationen sind im World Wide Web über die Gordon Creek Frau verfügbar.
Grimes Point Frau
9.700 Jahre alt,
kein DNA Test.
Ort: Nevada
Der archäologische Grabungsort Grimes Point ist besonders für seine Felsschnitzereien und Petroglyphen bekannt. Die archäologischen Grabungen brachten die Überreste einer Frau zum Vorschein, die zum Zeitpunkt ihres Todes vermutlich 8-10 Jahre alt war. Die anschließende Untersuchung ergab für die Überreste ein Alter von 9.700 Jahren. Eine Fülle von Informationen zum Fundort und dessen Umgebung ist vorhanden, aber nur wenig davon ist im World Wide Web über die Grimes Point Frau verfügbar.
Kennewick Mann
9.300 Jahre alt (Europäische Merkmale),
Gegenstand eines Gerichtsverfahrens:
Herausgabe verlangt von Indianerstämmen zur Wiederbestattung.
Ort: Kennewick, Washington
Der Kennewick Mann wurde nach der Stadt genannt, in deren Nähe er entdeckt wurde. Er ist 9.300 Jahre alt mit ausgeprägten europäischen Merkmalen. Er wurde im Juli 1996 von zwei Männern gefunden, die gemeinsam ein Hydroplane-Bootsrennen im Columbia Park in Kennewick, Washington anschauen wollten. Erste Untersuchungen der Schädel- und Knochenfragmente (mehr als 390 Knochen und Knochenfragmente wurden aus einem etwa 28 Quadratmeter großen Abschnitt des Flussufers geborgen) zeigten, dass es sich um den zweitältesten aller Überreste handelt, die jemals in Washington gefunden wurden. Die ältesten des Staates waren 10.300 Jahre alt und wurden nahe Lyons Ferry am Snake River gefunden. Mit 1,75 m ist das Skelett größer und schmaler als die meisten alten indianschen Skelette. Eine 5 cm lange steinerne Speerspitze steckte in der rechten Hüfte des Skeletts. Es handelte sich um eine Art von Steinprojektilen, die vor 5.000 bis 9000 Jahren im Gebrauch waren. Jahre vor seinem Tod war dieses Geschoss in seine Hüfte eingedrungen und dort bis zu seinen Tod verblieben. Außerdem war der Brustkorb des Mannes einige Jahre vor seinem Tod gequetscht worden, und er musste mit einem verkümmerten Arm fertig werden.
Pelican Rapids Frau (Minnesota Frau)
7.800 Jahre alt (Europäische Merkmale),
an Indianer zurückgegeben (repatriated).
Ort: Minnesota
1932 grub eine Gruppe von Straßenbauarbeitern nahe Pelican Rapids im Schlamm eines Seeufers und fand dabei die gut erhaltenen versteinerten Überreste eines jungen Mädchens. Das versteinerte Skelett, das in vorher bereits untersuchten Schichten gefunden wurde, war demnach ungefähr 8.000 Jahre alt. Die viel diskutierte junge Frau wurde bekannt als die "Minnesota Frau", sie wurde eingehend vermessen und untersucht, um ihre Abstammung und ihr Alter einschätzen zu können. Die Messungen zeigten, dass sie ein früher Homo Sapiens war, ursprünglicher mongoloid als Indianer oder Eskimos, und langköpfig, während Funde jüngerer Gruppen mehr oder weniger rundköpfig sind.
Spirit Cave Mann
9.400 Jahre alt (Europäische Merkmale),
an Indianer zurückgegeben (repatriated).
Ort: Nevada
Der Spirit Cave Mann wurde 1940 in einer kleinen Höhle entdeckt. Die flache Grabstätte wurde intakt und in einem ausgezeichneten Erhaltungszustand vorgefunden. Sie war ausgekleidet mit Salbeistrauch, auf dem der Leichnam abgelegt wurde, und dann mit weiterem Salbeistrauch abgedeckt. Der obere Teil des Körpers war teilweise mumifiziert: etwas Haar und Kopfhaut blieben auf dem Kopf, und seine ledernen Moccasins, eine Decke aus Kaninchen-Haut und die Grabmatten waren in gutem Zustand. Der Körper war auf die linke Seite gelegt worden, seine Knie angezogen bis in Höhe seiner Hüften. Neuere Radiokarbon-Datierung hatte zum Resultat, dass Spirit Cave Mann auf den Übergang zum Pleistozän oder auf das frühe Holozän vor mehr als 9.000 Jahren zu datieren ist.
Wizard's Beach Mann
9.200-9.500 Jahre alt,
DNA Test abgeschlossen.
Ort: Nevada
Wizard´s Beach Mann wurde 1978 gefunden, nachdem eine längere Dürre das Niveau des Pyramid Lake nordöstlich von Reno gesenkt hatte. Der Fundort liegt nur ungefähr 100 Meilen entfernt von Spirit Cave. Das ähnliche Alter und die Nähe dieser zwei Örtlichkeiten zueinander zeigen eine bedeutende Präsenz von Paläoindianern in der Region an. Ein wichtiger Punkt ist, dass die Schädel dieser Individuen sich beträchtlich von einander unterscheiden; Wizard Beach Mann ähnelt modernen Indianern, während Spirit Cave Mann am ehesten den Ainu ähnelt (eingeborene Menschen Japans, ursprünglich Bewohner von Nordjapan und Sachalin).
Wilson-Leonard
9.000 -11.000 Jahre alt,
DNA Test abgeschlossen.
Ort: Texas
Der Wilsons-Leonard Fundort wurde 1973 entdeckt und für archäologisch hoch bedeutsam eingeschätzt. Bei Wilson-Leonard wurde am Fundort im Zentrum von Texas eine Folge von 6 Meter dicken Ablagerungen von Verwehungen untersucht. Verwehungen entstehen im Laufe der Zeit durch Ansammlung von Erde und Material. Die gut erhaltenen archäologischen Ablagerungen repräsentieren den wichtigen kulturellen Zeitabschnitt des Holozän und zu Ende gehenden Pleistozän. Wissenschaftler entdeckten in den Ablagerungen eine Grabstätte. Die Radiokarbon-Datierung ergab für die Skelett-Überreste ein Alter von 9.000-11.000 Jahren. Die Wilsons-Leonard Ablagerungen hatten eine Dicke von mindestens 4,8 Metern und repräsentierten praktisch jeden bekannten Abschnitt in der lokalen Vorgeschichte bis zurück in die Zeit vor 11.000 Jahren.
Jede dieser archäologischen Entdeckungen stellt für sich gesehen eine Seite in der Geschichte des frühen Menschen in Nordamerika dar, aber wenn sie gemeinsam untersucht werden, fangen sie an, ein anderes Kapitel zu schreiben. Allerdings sind zusätzliche Arbeiten, archäologische Untersuchungen, Radiokarbon-Datierungen und DNA-Analysen erforderlich, bevor das Buch der Geschichte des frühen Menschen in Amerika neu geschrieben werden kann. Es würde sich herausstellen, dass die Bevölkerung der Paläoindianer von Nordamerika weitaus vielfältiger ist als ursprünglich angenommen. Stellen Paläoindianer eine gemeinsame kulturelle Gruppe dar? Warum liegen die ältesten Fundorte von Paläoindianern in Südamerika und nicht in Nordamerika? Gab es schon andere Menschen auf dem Kontinent vor der Ankunft der Paläoindianer?
